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Projekthaus der BMW Group in München

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Arbeitswelten
This chapter is in the book Arbeitswelten
146Projektdaten:Nutzung: Büro, Forschung, EntwicklungKonstruktion: StahlbetonskelettbauAbmessungen: 110 ≈ 110 mBruttorauminhalt: 500 000 m3Bruttogrundfläche: 90 000 m2Fläche Büros: 35 500 m2Fläche Modellbearbeitung: 4500 m2Baujahr: 2004Bauzeit: 23 MonateProjekthaus der BMW Group in MünchenArchitekten: Henn Architekten, MünchenDas Projekthaus im Forschungs- und Innova-tionszentrumder BMW Group ermöglicht durch seine räum liche Organisation eine neue Art der Zusammenarbeit.Produkte und Dienstleistungen weisen heute einen hohen Forschungs- und Entwicklungsanteil auf. Die wesentliche Wertschöpfung verlagert sich immer mehr von der Herstel-lung der Produkte zu deren Entwicklung. Das verändert die Arbeitswelten entscheidend. Es reicht nicht mehr aus, Wissen anzuwenden, es muss auch erzeugt werden. Wissen entsteht durch Kommunikation im persönlichen Austausch. Dafür ist das Arbeiten in der Gruppe prädestiniert. Im Sprechen und Zuhören baut sich ein ge -meinsamer Kontext auf, der sich im Gesprächsverlauf verän-dert. Er ist zunächst virtuell, kann aber zur besseren Veran-schaulichung, z. B. durch Zeichnungen auf Papier oder durch ein schnell hergestelltes Modell, auch real sein. Kommunikation in der GruppeBei vielen Produkten und Dienstleistungen reicht die koope-rative Zusammenarbeit in einer Gruppe von 10 bis 15 Mit-arbeitern nicht mehr aus. Komplexe Produkte, schwierige Märkte und unterschiedliche Kulturen machen es erforder-lich, dass für die Produktentwicklung viele verschiedene Fähigkeiten zusammenkommen: Nicht selten entwickeln 200, 1000 oder noch mehr Mitarbeiter gemeinsam ein Pro-dukt. Es stellt sich daher die Frage, ob sich das Koopera-tionsmodell der Kommunikation zwischen Wenigen auch auf ein Kollektiv von Vielen übertragen lässt. Grundsätzlich ist das möglich, allerdings nicht durch bloße Skalierung. Das Kollektiv kann nicht wie eine Gruppe kommunizieren. Auch ein Eingriff durch Organisation führt nicht zum Ziel, sondern kann die Kooperation sogar stören. Die kleine Grup-pengröße als erfolgreicher Kooperationsmodus muss jedoch auch bei vielen Beteiligten erhalten bleiben. Diesen Wider-spruch gilt es zu lösen.Dazu reicht es nicht aus, dass zufällige und informelle Begegnungen möglich sind, vielmehr ist eine spezielle Kommunikationsarchitektur notwendig. Die Zusammen-arbeit im Kollektiv entsteht nicht dadurch, dass jeder mit jedem redet. Aus existierenden Gruppen heraus müssen sich temporäre Gruppen bilden und dann wieder auflösen. Diese Vernetzung erzeugt Kommunikationsverbindungen zwischen allen, aber immer nur dann, wenn es erforderlich ist. Der Raum übernimmt die zeitliche Steuerung dieses Prozesses. Interdisziplinäre ProduktentwicklungDas Projekthaus im Forschungs- und Innovationszentrum (FIZ) der BMW Group im Münchner Norden ist dafür ein Ideal-modell. Etwa 2000 Fachleute aus der gesamten Entwick-lungsabteilung werden dorthin »ausgeliehen« und arbeiten in ca. 200 Gruppen von durchschnittlich zehn Mitarbeitern an der Entwicklung der Fahrzeuge. In der im Projekthaus stattfindenden komplexesten Phase der Produktentwicklung werden die Designvorgaben umgesetzt und auch weitere Fachbereiche wie beispielsweise für Karosserie, Fahrwerk und Motor bereits einbezogen. Bei der Modellbearbeitung im ovalen Zentralgebäude treffen neben den Konstrukteuren auch die Versuchsingenieure und die Werkstatt aufeinander. So entsteht in mehreren Schritten der Prototyp. Die Architektur hat die Aufgabe, einen Wahrnehmungs- und Bewegungsraum zu erzeugen, in dem sich die Verbindungen frei entfalten können. Eine vertikale und horizontale Transpa-renz der Bürowelt ermöglicht die gegenseitige Wahrnehmung der Mitarbeiter. Ein Prototyp des entstehenden Autos in der Mitte des Atriums, der nach einem Zeittakt ständig erneuert wird, schafft einen für jeden sichtbaren und realen Kontext und macht die Leistung aller sichtbar. Er ist das »Kurzzeit-gedächtnis« des Kollektivs, das sich dadurch sozu sagen bei der Arbeit zuschauen kann. VernetzungsarchitekturDie Vernetzungsarchitektur im Projekthaus lässt sich mit der Vernetzung des Gehirns vergleichen. Auch hier gibt es lokale Verbindungen, die Zentren ausbilden – Sehzent-rum, Sprachzentrum etc. –, sowie Verbindungen zwischen den Zentren. Die Leistungsfähigkeit entsteht durch die Qua-lität des Zusammenspiels der Bindungen, nicht durch eine zen trale Instanz. Deshalb ist die Mitte des Projekthauses kein Entscheidungszentrum, von dem aus Anweisungen ergehen. Sie dient der Vernetzung von Mitarbeitern, die eigenständig entscheiden, was sie in die Kommunikation einbringen.

146Projektdaten:Nutzung: Büro, Forschung, EntwicklungKonstruktion: StahlbetonskelettbauAbmessungen: 110 ≈ 110 mBruttorauminhalt: 500 000 m3Bruttogrundfläche: 90 000 m2Fläche Büros: 35 500 m2Fläche Modellbearbeitung: 4500 m2Baujahr: 2004Bauzeit: 23 MonateProjekthaus der BMW Group in MünchenArchitekten: Henn Architekten, MünchenDas Projekthaus im Forschungs- und Innova-tionszentrumder BMW Group ermöglicht durch seine räum liche Organisation eine neue Art der Zusammenarbeit.Produkte und Dienstleistungen weisen heute einen hohen Forschungs- und Entwicklungsanteil auf. Die wesentliche Wertschöpfung verlagert sich immer mehr von der Herstel-lung der Produkte zu deren Entwicklung. Das verändert die Arbeitswelten entscheidend. Es reicht nicht mehr aus, Wissen anzuwenden, es muss auch erzeugt werden. Wissen entsteht durch Kommunikation im persönlichen Austausch. Dafür ist das Arbeiten in der Gruppe prädestiniert. Im Sprechen und Zuhören baut sich ein ge -meinsamer Kontext auf, der sich im Gesprächsverlauf verän-dert. Er ist zunächst virtuell, kann aber zur besseren Veran-schaulichung, z. B. durch Zeichnungen auf Papier oder durch ein schnell hergestelltes Modell, auch real sein. Kommunikation in der GruppeBei vielen Produkten und Dienstleistungen reicht die koope-rative Zusammenarbeit in einer Gruppe von 10 bis 15 Mit-arbeitern nicht mehr aus. Komplexe Produkte, schwierige Märkte und unterschiedliche Kulturen machen es erforder-lich, dass für die Produktentwicklung viele verschiedene Fähigkeiten zusammenkommen: Nicht selten entwickeln 200, 1000 oder noch mehr Mitarbeiter gemeinsam ein Pro-dukt. Es stellt sich daher die Frage, ob sich das Koopera-tionsmodell der Kommunikation zwischen Wenigen auch auf ein Kollektiv von Vielen übertragen lässt. Grundsätzlich ist das möglich, allerdings nicht durch bloße Skalierung. Das Kollektiv kann nicht wie eine Gruppe kommunizieren. Auch ein Eingriff durch Organisation führt nicht zum Ziel, sondern kann die Kooperation sogar stören. Die kleine Grup-pengröße als erfolgreicher Kooperationsmodus muss jedoch auch bei vielen Beteiligten erhalten bleiben. Diesen Wider-spruch gilt es zu lösen.Dazu reicht es nicht aus, dass zufällige und informelle Begegnungen möglich sind, vielmehr ist eine spezielle Kommunikationsarchitektur notwendig. Die Zusammen-arbeit im Kollektiv entsteht nicht dadurch, dass jeder mit jedem redet. Aus existierenden Gruppen heraus müssen sich temporäre Gruppen bilden und dann wieder auflösen. Diese Vernetzung erzeugt Kommunikationsverbindungen zwischen allen, aber immer nur dann, wenn es erforderlich ist. Der Raum übernimmt die zeitliche Steuerung dieses Prozesses. Interdisziplinäre ProduktentwicklungDas Projekthaus im Forschungs- und Innovationszentrum (FIZ) der BMW Group im Münchner Norden ist dafür ein Ideal-modell. Etwa 2000 Fachleute aus der gesamten Entwick-lungsabteilung werden dorthin »ausgeliehen« und arbeiten in ca. 200 Gruppen von durchschnittlich zehn Mitarbeitern an der Entwicklung der Fahrzeuge. In der im Projekthaus stattfindenden komplexesten Phase der Produktentwicklung werden die Designvorgaben umgesetzt und auch weitere Fachbereiche wie beispielsweise für Karosserie, Fahrwerk und Motor bereits einbezogen. Bei der Modellbearbeitung im ovalen Zentralgebäude treffen neben den Konstrukteuren auch die Versuchsingenieure und die Werkstatt aufeinander. So entsteht in mehreren Schritten der Prototyp. Die Architektur hat die Aufgabe, einen Wahrnehmungs- und Bewegungsraum zu erzeugen, in dem sich die Verbindungen frei entfalten können. Eine vertikale und horizontale Transpa-renz der Bürowelt ermöglicht die gegenseitige Wahrnehmung der Mitarbeiter. Ein Prototyp des entstehenden Autos in der Mitte des Atriums, der nach einem Zeittakt ständig erneuert wird, schafft einen für jeden sichtbaren und realen Kontext und macht die Leistung aller sichtbar. Er ist das »Kurzzeit-gedächtnis« des Kollektivs, das sich dadurch sozu sagen bei der Arbeit zuschauen kann. VernetzungsarchitekturDie Vernetzungsarchitektur im Projekthaus lässt sich mit der Vernetzung des Gehirns vergleichen. Auch hier gibt es lokale Verbindungen, die Zentren ausbilden – Sehzent-rum, Sprachzentrum etc. –, sowie Verbindungen zwischen den Zentren. Die Leistungsfähigkeit entsteht durch die Qua-lität des Zusammenspiels der Bindungen, nicht durch eine zen trale Instanz. Deshalb ist die Mitte des Projekthauses kein Entscheidungszentrum, von dem aus Anweisungen ergehen. Sie dient der Vernetzung von Mitarbeitern, die eigenständig entscheiden, was sie in die Kommunikation einbringen.

Chapters in this book

  1. Frontmatter i
  2. Inhalt vii
  3. Neue Arbeitswelten 9
  4. Die Welt der Büroarbeit im Wandel – Nutzungsstrategien und Wahlfreiheiten 10
  5. Typologie von Forschungsbauten 18
  6. Das Bürogebäude im Zentrum der Wissensökonomie 26
  7. Erfolgsfaktor Arbeitsplatz – Mythos oder Schlüssel zum nachhaltigen Unternehmenserfolg? 35
  8. Ergonomische Arbeitsplatzgestaltung 38
  9. Akustisches Design in offenen Bürolandschaften 45
  10. Integrierte Tages- und Kunstlichtplanung für Arbeitsplätze 50
  11. Nutzerzufriedenheit als Maß zur Arbeitsplatzbewertung im Büro 54
  12. Projektübersicht 58
  13. Bürogebäude Claus en Kaan Architecten in Amsterdam 60
  14. Volksbank in Salzburg 64
  15. AachenMünchener Direktionsgebäude in Aachen 67
  16. Smart-Working-Konzept für Credit Suisse in Zürich 72
  17. Fabrikgebäude in Rehau 76
  18. Architekturbüro group8 in Genf 80
  19. Unilever Firmenzentrale in Hamburg 86
  20. Bürogebäude auf dem Novartis Campus in Basel 92
  21. Rambøll Hauptverwaltung in Kopenhagen 98
  22. The Yellow Building in London 102
  23. Rena Lange Firmenzentrale in München 108
  24. Nya Nordiska Firmenzentrale in Dannenberg 114
  25. voestalpine Stahl Service Center in Linz 120
  26. Büro und Lagerhalle für Sohm in Alberschwende 124
  27. Baubetriebshof der Gemeinde Poing 128
  28. Handwerkssiedlung in Valbonne 132
  29. Sedus Stoll Forschungs- und Entwicklungszentrum in Dogern 136
  30. Trumpf Entwicklungszentrum in Ditzingen 140
  31. Projekthaus der BMW Group in München 146
  32. Sonderlabore der Universität Leipzig 149
  33. Fraunhofer-Institut in Ilmenau 152
  34. Innenhof der Technischen Universität Prag 158
  35. Rolex Learning Center in Lausanne 162
  36. Projektdaten – Architekten 168
  37. Autoren 174
  38. Abbildungsnachweis 175
Downloaded on 23.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.11129/detail.9783955530396.146/html?licenseType=restricted&srsltid=AfmBOopvl_89OUhHYZkHS0BVgrH-ensVFjDwUbblvp8ZQREdbzagD0Ms
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