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Wie groß ist der wirtschaftspolitische Konsens unter Ökonominnen und Ökonomen in Deutschland? Evidenz aus 74.000 Antworten im Ökonomenpanel

  • Lea Geißendörfer , Klaus Gründler , Niklas Potrafke EMAIL logo und Marcel Schlepper
Veröffentlicht/Copyright: 17. April 2025

Zusammenfassung

In ihrem Beitrag zeichnen Lea Geißendörfer, Klaus Gründler, Niklas Potrafke und Marcel Schlepper die großen wirtschaftspolitischen Debatten der vergangenen neun Jahre nach und dokumentieren, wie stark sich Ökonominnen und Ökonomen hinsichtlich der wirtschafts- und finanzpolitischen Gestaltung jeweils einig waren. Sie gelangen zu drei Kernresultaten: Erstens vertreten Ökonominnen und Ökonomen ein breites Meinungsspektrum in vielen wirtschaftspolitischen Debatten. Diese Erkenntnis unterstreicht die Relevanz einer Befragung wie des Ökonomenpanels von ifo Institut und Frankfurter Allgemeiner Zeitung, welches die Pluralität der Perspektiven von Ökonominnen und Ökonomen in die politische Debatte einbringt. Zweitens unterliegt der Konsens zwischen Ökonominnen und Ökonomen erheblichen zeitlichen Schwankungen. Die niedrigsten Werte messen sie in den Jahren 2020 und 2021, als die Covid–19-Pandemie die Wirtschaft vor neue Herausforderungen stellte. Drittens stimmen Ökonominnen und Ökonomen in ihren wirtschaftspolitischen Empfehlungen in hohem Maße mit ihren Kolleginnen und Kollegen derselben Fachbereiche und Standorte überein.

JEL Classification: A11

1 Zwei Ökonomen und drei Antworten?

Der an Winston Churchill angelehnte Satz „Frage zwei Ökonomen und du erhältst drei Antworten“ hält sich hartnäckig. Um herauszufinden, ob und inwieweit das Bonmot eine tiefere Wahrheit spiegelt, untersuchen wir in diesem Beitrag, wie groß der Konsens unter Ökonominnen und Ökonomen an deutschen Universitäten ist, basierend auf mehr als 74.000 Antworten zu grundlegenden wirtschaftspolitischen Fragen zwischen 2016 und 2024. Als Datengrundlage unserer Analyse dienen wirtschaftspolitische Empfehlungen aus dem Ökonomenpanel, einer regelmäßigen Befragung in Kooperation zwischen dem ifo Institut in München und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Das Ökonomenpanel ist ein etabliertes Instrument der wirtschaftspolitischen Debatte in Deutschland, dessen Ergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und auf ein breites mediales Echo stoßen.

Aus den 48 Befragungen des Ökonomenpanels von 2016 bis 2024 haben wir jene 23 Fragen ausgewählt, in denen es um grundsätzliche Zusammenhänge der Volkswirtschaftslehre und wiederkehrende Elemente der wirtschaftspolitischen Debatte geht. Wir ordnen diese Fragen ein, beschreiben die Einschätzungen der Ökonominnen und Ökonomen und kalkulieren ein Maß für den Grad des Konsenses.

Unsere Studie ist die erste repräsentative Erhebung zum Konsens unter Professorinnen und Professoren an deutschen Universitäten. Sie kombiniert die jeweiligen Stärken vorheriger Studien unter amerikanischen Ökonominnen und Ökonomen.[1] Ähnlich wie in Gordon und Dahl (2013) wurden die Ökonominnen und Ökonomen in unserer Studie zu aktuellen wirtschaftlichen Themen befragt. Während frühere Studien jedoch lediglich das aktuelle Stimmungsbild zu einem spezifischen Zeitpunkt abbilden, verfolgt unsere Betrachtung die wirtschaftspolitischen Einschätzungen der Profession über ein knappes Jahrzehnt. Dabei reflektieren die Fragen die wichtigsten wirtschaftspolitischen Debatten der jeweiligen Zeit. Die Teilnehmenden wissen um die Bedeutung ihrer Antworten.

Tabelle 1:

Beobachtbare Charakteristika für eingeladene und teilnehmende Professorinnen und Professoren

Grundgesamtheit

39. Panel

40. Panel

41. Panel

  

Mittelwert

Mittelwert

Differenz

Mittelwert

Differenz

Mittelwert

Differenz

Alter

58,0

58,0

0,0

56,9

–1,2

57,6

–0,4

Anteil Frauen

0,17

0,12

–0,05

0,13

–0,04

0,12

–0,05*

Professur neue Bundesländer

0,15

0,17

0,01

0,17

0,01

0,18

0,02

Jahr Doktorabschluss

2000

1998

–2**

1999

–0,9

1999

–2*

Google-Scholar-Zitate

3811

3746

–65

3449

–362

3682

–129

N 

 773

 158

 178

 152

Grundgesamtheit

42. Panel

43. Panel

44. Panel

  

Mittelwert

Mittelwert

Differenz

Mittelwert

Differenz

Mittelwert

Differenz

Alter

58,0

58,5

0,5

58,3

0,3

57,7

–0,3

Anteil Frauen

0,17

0,11

–0,06*

0,17

0,00

0,14

–0,03

Professur neue Bundesländer

0,15

0,18

0,03

0,14

–0,02

0,17

0,01

Jahr Doktorabschluss

2000

1998

–2*

2001

0 

2000

0 

Google-Scholar-Zitate

3811

2981

–830

3200

–610

3179

–632

N 

 773

 132

 178

 205

Grundgesamtheit

45. Panel

46. Panel

47. Panel

  

Mittelwert

Mittelwert

Differenz

Mittelwert

Differenz

Mittelwert

Differenz

Alter

58,0

57,7

–0,4

57,9

–0,2

58,3

0,2

Anteil Frauen

0,17

0,12

–0,05*

0,15

0,0

0,12

–0,05

Professur neue Bundesländer

0,15

0,16

0,01

0,15

0,0

0,18

0,03

Jahr Doktorabschluss

2000

1999

–1

2000

–0,4

1999

–1

Google-Scholar-Zitate

3811

3604

–206

3478

–332

3574

–237

N 

 773

 187

 180

 162

Grundgesamtheit

48. Panel

  

Mittelwert

Mittelwert

Differenz

Alter

58,0

57,5

–0,6

Anteil Frauen

0,17

0,15

–0,03

Professur neue Bundesländer

0,15

0,21

0,05*

Jahr Doktorabschluss

2000

2000

0

Google-Scholar-Zitate

3811

2990

–820

N 

 773

 185

Anmerkung: Die Angabe zu N beziehen sich auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des jeweiligen Ökonomenpanels. Die Anzahl der Beobachtungen im jeweiligen Vergleich kann aufgrund von fehlenden Informationen geringfügig darunter liegen. Die Signifikanz wird wie folgt angegeben: p<0,1 (*); p<0,05 (**); p<0,01 (***).

Quelle: eigene Zusammenstellung

In Anlehnung an Fuchs et al. (1998) unterscheiden wir zwischen den Fachgebieten und analysieren so, wie sich die wirtschaftspolitische Position von Ökonominnen und Ökonomen zur Mehrheitsmeinung innerhalb und außerhalb ihres Feldes unterscheidet. Wie in den Arbeiten von Frey et al. (1984) und Fuchs et al. (1998) wird nicht nur eine kleine Gruppe befragt, sondern die Vielfalt der Meinungen innerhalb des Berufsstandes gehört. Insgesamt haben mehr als 575 Professorinnen und Professoren von deutschen Universitäten an den Befragungen des Ökonomenpanels teilgenommen. Mit Blick auf beobachtbare Eigenschaften sind diese repräsentativ für die Gesamtheit der Professorinnen und Professoren der Volkswirtschaftslehre.

2 Das ifo-FAZ-Ökonomenpanel

Das Ökonomenpanel entstand in der Absicht, einen differenzierten Überblick der Meinungen deutscher Ökonominnen und Ökonomen zu aktuellen wirtschaftspolitischen Themen zu präsentieren. Seit der ersten Umfrage im Februar 2016 wurden bis September 2024 insgesamt 48 Befragungen durchgeführt. In das Panel werden alle Professorinnen und Professoren in Festanstellung an einer deutschen Universität aufgenommen, deren Professur sich der Volkswirtschaftslehre zurechnen lässt. Im Herbst 2024 umfasste das Panel 773 Professorinnen und Professoren, die im Folgenden die Grundgesamtheit bilden. Durchschnittlich beteiligen sich 152 Personen pro Befragung. Insgesamt haben bislang 587 Professorinnen und Professoren mindestens einmal am Ökonomenpanel teilgenommen.[2]

Da die Entscheidung über die Teilnahme den Ökonominnen und Ökonomen selbst obliegt, stellt sich die Frage, inwiefern ein Selektionsproblem vorliegt beziehungsweise ob das Panel repräsentativ ist. Im Hinblick auf beobachtbare Faktoren wie Alter, Geschlecht, die Zahl der „Google-Scholar“-Zitate oder die regionale Lage der Universität finden sich keine signifikanten statistischen Unterschiede zwischen den Charakteristika der Teilnehmenden des Ökonomenpanels und der Grundgesamtheit aller Professorinnen und Professoren in Deutschland.

Tabelle 1 stellt die beobachtbaren Charakteristika der Grundgesamtheit denen der Teilnehmenden an den Ökonomenpanels 39 bis 48 gegenüber. Die betrachteten Ökonomenpanel wurden zwischen Juni 2022 und September 2024 durchgeführt. Insgesamt sind die Variablen über die Gruppen hinweg stark ausbalanciert. Bei einzelnen Befragungen zeigen sich kleinere Unterschiede zwischen der Gesamtheit und den Teilnehmenden am Ökonomenpanel. Diese Unterschiede sind zumeist allenfalls signifikant auf dem 10 %-Niveau, womit bei einer Anzahl von 50 t-Tests per Definition zu rechnen ist. Zudem sind diese Unterschiede in ihrem numerischen Ausmaß gering. So wurden beispielsweise die Teilnehmenden an der 39. Befragung durchschnittlich im Jahr 1998 promoviert, während die Grundgesamtheit im Durchschnitt rund zwei Jahre später den Doktorgrad erlangte. In Hinblick auf die allermeisten Charakteristika sind die Merkmale der Teilnehmenden jedoch repräsentativ für die Grundgesamtheit.

Abbildung 1: Durchschnittliche Mediennennung pro Ökonomenpanel und Jahr
Anmerkung: Die Abbildung stellt die durchschnittliche Zahl der Nennungen in deutschsprachigen Medien pro Befragungsrunde für die Jahre 2016 bis 2024 dar.

Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 1:

Durchschnittliche Mediennennung pro Ökonomenpanel und Jahr

Anmerkung: Die Abbildung stellt die durchschnittliche Zahl der Nennungen in deutschsprachigen Medien pro Befragungsrunde für die Jahre 2016 bis 2024 dar.

Quelle: eigene Darstellung

Über den Befragungszeitraum von neun Jahren hinweg konnte die Perspektive der deutschen Ökonominnen und Ökonomen zu einer Vielzahl wirtschaftspolitischer Themen dank des Ökonomenpanels zeitnah in die öffentliche politische Debatte einfließen. Die thematische Vielfalt reicht vom Brexit-Votum über die Hilfsmaßnahmen im Kontext der Covid–19-Pandemie bis hin zur Energiekrise in Folge der russischen Invasion in die Ukraine.

Die differenzierte Einordnung aktueller Themen durch die Professorinnen und Professoren der Volkswirtschaftslehre an deutschen Universitäten gewinnt in den Medien zunehmend an Bedeutung (siehe Abbildung 1). Im Jahr 2024 wurde jede Befragung des Ökonomenpanels durchschnittlich in mehr als 130 deutschsprachigen Medien aufgegriffen (Stand September 2024). Das breite Themenspektrum in Kombination mit der Repräsentativität der Teilnehmenden sowie der Bedeutung für die öffentliche Debatte machen das Ökonomenpanel zu einem wertvollen Instrument für eine umfassende Analyse des Konsenses deutscher Ökonominnen und Ökonomen.

3 Methodik

Für unsere Analyse haben wir basierend auf den 48 Befragungen des Ökonomenpanels einen reduzierten Fragenkatalog von 23 Fragen erstellt. Dabei haben wir jene Fragen ausgewählt, die sich auf allgemeine wirtschaftspolitische Maßnahmen und Konzepte richten. Nicht berücksichtigt haben wir hingegen Fragen, die sich ausschließlich auf tagesaktuelle Themen beziehen. Innerhalb des Katalogs sind die Fragen anhand ihres Inhaltes in die Themengebiete Finanzpolitik, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, Außenhandel, Klima- und Energiepolitik, sowie Bankenregulierung unterteilt. Der Fragenkatalog, die Kategorisierung und der jeweilige Konsensgrad pro Frage finden sich weiter unten in Tabelle 2 in Abschnitt 4.

Der Konsens wird auf Basis der relativen Entropie berechnet (vgl. Frey et al. 1984). Die Entropie wird ermittelt über

Σpiln(pi),

wobei pi für jede Antwortmöglichkeit i den Stimmenanteil an den Gesamtantworten ohne „Weiß nicht“ darstellt. Um die relative Entropie zu erhalten, wird die Entropie durch die maximale Entropie ln(l/i) dividiert. Diese hängt maßgeblich von der zur Verfügung stehenden Anzahl an Antwortmöglichkeiten ab. Für eine Frage mit zwei Antwortmöglichkeiten ergibt sich für die maximale Entropie daher ln (1/2). Wir verwenden Fragen, bei denen entweder zwei oder drei Antwortmöglichkeiten in die Berechnung einfließen. Antwortmöglichkeiten umfassen dabei Aussagen, durch die Zustimmung oder Ablehnung ausgedrückt werden[3], sowie die Antwortkategorien „Unentschieden“ oder „Teils-teils“.

Um den resultierenden Wert intuitiv zu erfassen, wird die relative Entropie von Eins subtrahiert. Unser Maß für Konsens ist somit 0, wenn kein Konsens vorliegt. Wenn wir zum Beispiel von nur zwei Antwortmöglichkeiten ausgehen, wäre dies der Fall, wenn 50 Prozent der Antworten mit „Ja“ und 50 Prozent der Antworten mit „Nein“ ausfallen. Das Maß für Konsens ist 1, wenn alle Ökonominnen und Ökonomen einer Meinung sind. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn alle Antworten „Ja“ sind.

Bei der Interpretation muss berücksichtigt werden, dass die relative Entropie nicht linear verläuft. So stellt ein Wert von 0,5 nicht die Mitte zwischen einem vollständigen Konsens und dem Fehlen eines Konsenses dar (Frey et al. 1984). Der Anteil an Ja-Stimmen, der zu einem Konsens von 0,5 führt, hängt vielmehr maßgeblich von der Zahl an Stimmen ab, die in die Berechnung der Entropie einfließen. Dies wird in Abbildung 2 illustriert. Für eine Frage mit zwei Antwortmöglichkeiten wird der Konsens für verschiedene Anteile an „Ja“-Antworten angeben. Zur Illustration nehmen wir an, dass der Anteil an „Weiß-nicht“-Antworten einmal 5 Prozent und einmal 15 Prozent beträgt. Der Anteil an „Ja“-Antworten kann folglich maximal 95 Prozent beziehungsweise 85 Prozent sein. Die Option „Weiß nicht“ wird bei der Berechnung des Konsenses nicht berücksichtigt, da diese Antworten keinen Informationsgehalt haben[4]. Folglich wird bei einem höheren Anteil an „Weiß nicht“ Stimmen ein Konsens von 0,5 bereits mit weniger „Ja“-Stimmen erreicht. Abbildung 2 zeigt, dass bei 5 Prozent „Weiß-nicht“-Stimmen ein Anteil von 85 Prozent „Ja“-Stimmen zu einem Konsens von 0,5 führt. Steigt der Anteil an „Weiß-nicht“-Stimmen jedoch auf 15 Prozent, ergibt sich derselbe Konsenswert bereits bei 76 Prozent „Ja“-Stimmen.

Abbildung 2: Visualisierung der Konsens-Berechnung für eine Ja-Nein-Frage
Anmerkung: Die Abbildung stellt den Konsens für verschiedene Anteile an Ja-Stimmen bei einer Frage mit zwei Antwortmöglichkeiten dar. Der Konsens ist definiert als 1 minus die relative Entropie. Blau illustriert den Konsens, wenn der Anteil der „Weiß-nicht“-Antworten 5 Prozent beträgt. Grau illustriert den Konsens, wenn Anteil der „Weiß-nicht“-Antworten 15 Prozent beträgt. Entsprechend können maximal 95 Prozent beziehungsweise 85 Prozent Ja-Stimmen erreicht werden.

Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 2:

Visualisierung der Konsens-Berechnung für eine Ja-Nein-Frage

Anmerkung: Die Abbildung stellt den Konsens für verschiedene Anteile an Ja-Stimmen bei einer Frage mit zwei Antwortmöglichkeiten dar. Der Konsens ist definiert als 1 minus die relative Entropie. Blau illustriert den Konsens, wenn der Anteil der „Weiß-nicht“-Antworten 5 Prozent beträgt. Grau illustriert den Konsens, wenn Anteil der „Weiß-nicht“-Antworten 15 Prozent beträgt. Entsprechend können maximal 95 Prozent beziehungsweise 85 Prozent Ja-Stimmen erreicht werden.

Quelle: eigene Darstellung

Ein niedriger Konsensgrad impliziert, dass es bei dieser Frage einen hohen Mehrwert bietet, mehrere Ökonominnen und Ökonomen nach ihrer Meinung zu fragen, statt lediglich die Meinung einzelner Personen einzuholen. Dies sind die Fälle, die wir durch eine möglichst umfassende Befragung im Rahmen des Ökonomenpanels anvisieren.

4 Ergebnisse

Tabelle 2 zeigt den Fragenkatalog und die Konsensmaße, jeweils sortiert nach Themengebieten. Der geringste Konsens in den Antworten auf alle Fragen findet sich im 35. Ökonomenpanel, als nach der Beibehaltung der nationalen CO2-Vermeidungsziele von Emissionen gefragt wurde (Konsens 0,00). Der größte Konsens ergab sich im 42. Ökonomenpanel hinsichtlich der Frage, ob es künftig für Banken verpflichtend sein soll, Staatsanleihenportfolios mit Eigenkapital zu unterlegen (Konsens 0,51).

Tabelle 2:

Konsens unter Professorinnen und Professoren zu wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen

Nr.

ÖP

Frage

Zustimmung

Ablehnung

unentschieden

weiß nicht

Konsens

Finanzpolitik

1.

25.

Befürworten Sie das Festhalten an der „schwarzen Null“?

0,34

0,48

0,18

0,00

0,07

2.

25.

Befürworten Sie grundsätzlich die Beibehaltung der Schuldenbremse für Bund und Länder?

0,57

0,28

0,15

0,00

0,13

3.

18.

Sind Sie für ein eigenes Budget der Eurozone?

0,33

0,60

0,07

0,22

4.

18.

Sind Sie für die geplante gemeinsame Einlagensicherung?

0,20

0,51

0,26

0,03

0,08

5.

29.

Befürworten Sie eine gemeinsame Schuldenaufnahme der EU-Staaten?

0,35

0,38

0,26

0,01

0,01

6.

8.

Würden Sie eine Steuerreform befürworten, die für ein höheres Erbschaftsteueraufkommen sorgt, wenn gleichzeitig andere Steuern gesenkt werden (bei gleichem Gesamtsteueraufkommen)?

0,68

0,23

0,09

0,18

7.

27.

Sind Sie der Meinung, dass Deutschland auf den internationalen Steuerwettbewerb mit einer Senkung der tariflichen Unternehmenssteuerbelastung reagieren soll?

0,53

0,24

0,12

0,11

0,15

8.

27.

Sind Sie der Meinung, dass der Vorschlag einer Mindeststeuer geeignet ist, den internationalen Steuerwettbewerb zu begrenzen?

0,37

0,20

0,26

0,17

0,03

9.

41.

Sollte der Einkommensteuertarif automatisch zum Ausgleich der kalten Progression an die Inflationsentwicklung angeglichen werden?

0,67

0,26

0,07

0,15

Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik

  

  

10.

5.

Stimmen Sie der folgenden Aussage zu? Das gegenwärtige gesetzliche Rentensystem ist nachhaltig aufgestellt, um auch langfristig eine zum Leben angemessene Rente zu garantieren.

0,11

0,67

0,22

0,23

11.

16.

Wie bewerten Sie die Einführung einer Grundrente?

0,48

0,32

0,15

0,05

0,09

12.

20.

Würden Sie eine Fixierung des Rentenniveaus auf mind. 48 % sowie des Rentenbeitrags auf max. 20 % über 2025 hinaus befürworten?

0,19

0,61

0,14

0,06

0,19

13.

20.

Befürworten Sie die gegenwärtige Entwicklung zu geringerer Teilhabeäquivalenz?

0,29

0,45

0,21

0,05

0,05

14.

20.

Meinen Sie, dass eine zusätzliche private oder betriebliche Altersvorsorge für alle Pflicht werden sollte?

0,49

0,43

0,08

0,00

0,17

15.

1.

Stimmen Sie der folgenden Aussage zu? Die Einführung des flächendeckenden Mindestlohns zum 1. Januar 2015 war ein wirtschaftspolitischer Fehler.

0,56

0,32

0,12

0,14

16.

16.

Wie bewerten Sie die vorgeschlagene Maßnahme [Rückkehr zur] paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung?

0,36

0,34

0,27

0,03

0,01

Außenhandel

  

  

  

  

  

17.

6.

Befürworten Sie das geplante Freihandelsabkommen CETA zwischen Kanada und der EU?

0,72

0,16

0,12

0,32

18.

6.

Befürworten Sie das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU?

0,64

0,24

0,12

0,15

19.

39.

Ist Deutschland zu abhängig von der Weltwirtschaft?

0,34

0,57

0,09

0,05

Klima-und Energiepolitik

  

  

  

  

  

20.

24.

Sind Preisbänder (Mindestpreis, Höchstpreis) im Fall eines Emissionshandels in den Sektoren der EU-ETS sinnvoll?

0,19

0,44

0,37

0,12

21.

35.

Halten Sie die Beibehaltung von nationalen CO₂-Vermeidungszielen für Emissionen, die nicht vom ursprl. Europäischen Emissionshandel erfasst wurden, für sinnvoll?

0,41

0,45

0,14

0,00

22.

35.

Sehen Sie die Festlegung jahresgenauer, sektorspezifischer CO₂-Minderungsziele als sinnvoll an?

0,30

0,60

0,10

0,08

Bankenregulierung

  

  

  

  

  

23.

42.

Sollte es künftig für Banken auch eine Pflicht zur Eigenkapitalunterlegung von Staatsanleihenportfolios geben?

0,76

0,09

0,15

0,51

Quelle: eigene Zusammenstellung

Abbildung 3: Durchschnittlicher Konsens im Zeitverlauf
Anmerkung: Die Abbildung gibt einen Überblick über den durchschnittlichen Konsens in den Jahren 2016 bis 2023. Die Übersicht endet mit dem Jahr 2023, da im Fragenkatalog in Tabelle 2 keine Fragen aus dem Jahr 2024 aufgenommen wurden. Zur Berechnung des durchschnittlichen Konsenses werden die Konsenswerte aus Tabelle 2 dem Jahr ihrer Befragung zugeordnet. Anschließend wird über die Jahre das Mittel gebildet.

Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 3:

Durchschnittlicher Konsens im Zeitverlauf

Anmerkung: Die Abbildung gibt einen Überblick über den durchschnittlichen Konsens in den Jahren 2016 bis 2023. Die Übersicht endet mit dem Jahr 2023, da im Fragenkatalog in Tabelle 2 keine Fragen aus dem Jahr 2024 aufgenommen wurden. Zur Berechnung des durchschnittlichen Konsenses werden die Konsenswerte aus Tabelle 2 dem Jahr ihrer Befragung zugeordnet. Anschließend wird über die Jahre das Mittel gebildet.

Quelle: eigene Darstellung

Neben der allgemeinen Zustimmung zu spezifischen Themen ist insbesondere auch die Entwicklung über die Zeit interessant. Abbildung 3 zeigt die Entwicklung des Konsenses unter in Deutschland tätigen Professorinnen und Professoren zwischen 2016 und 2023. Offenkundig wird, dass der Konsens zwischen Ökonominnen und Ökonomen erheblichen zeitlichen Schwankungen unterliegt. Diese sind weitestgehend statistisch signifikant (t > 1,4 für alle Vergleiche benachbarter Jahre). Die niedrigsten Konsens-Werte wurden mit Beginn der Covid–19-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 erhoben, welche die deutsche Wirtschaft vor neue Herausforderungen stellte. Zu dieser Zeit befasste sich das Ökonomenpanel ausgiebig mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie. Die geringen Konsenswerte während der Pandemie legen nahe, dass der Konsens unter Ökonominnen und Ökonomen gerade zu jenen Fragen, in denen eine größere Unsicherheit besteht, besonders gering ist. Demgegenüber wurden in den Ökonomenpanels der vom Krieg in der Ukraine und der hohen Inflationsraten geprägten Jahre 2022 und 2023 im Durchschnitt besonders hohe Konsenswerte gemessen.

Zur Veränderung der Konsenswerte haben im Wesentlichen die jeweiligen und über die Zeit hinweg stark unterschiedlichen Fragen beigetragen. Sie deutet nicht auf fundamentale Veränderungen in der Einstellung der Profession hin. So zeigen Antworten zu jenen Themengebieten, die über die Zeit hinweg wiederkehrend aufkamen (beispielsweise die Einstellung zur deutschen Schuldenbremse) relativ konstante Konsenswerte.

Für die Frage, welche Ökonominnen und Ökonomen man zu einem bestimmten Thema befragen sollte, um ein möglichst konsistentes Bild der möglichen Auswirkungen in diesem Gebiet einschlägiger wirtschaftspolitischer Maßnahmen zu erhalten, ist der fachspezifische Konsens relevant. Abbildung 4 zeigt den Einfluss der Gesamtmeinung sowie der Fachmeinung auf die Wahrscheinlichkeit, dass Teilnehmende bei einer Frage mit „Ja“ stimmen. Während die Beantwortung einer Frage tendenziell offenbar nur schwach von der Meinung des Berufsstandes insgesamt abhängt, steigt die Wahrscheinlichkeit der Zustimmung zu einer Frage deutlich, wenn das jeweilige Fachgebiet der Teilnehmenden eine höhere Tendenz zur Zustimmung aufweist. Hieran zeigt sich: Der Konsens ist innerhalb der einzelnen Fachgebiete der Volkswirtschaftslehre wesentlich größer als in der Profession insgesamt.

Es zeigen sich jedoch auch spannende geografische Muster. So ist die Wahrscheinlichkeit der Zustimmung zu einer Frage gerade dann besonders hoch, wenn auch die Kolleginnen und Kollegen am selben Ort mit hoher Wahrscheinlichkeit einer Frage zustimmen. Für die Analyse der Standorte haben wir die Institutionen innerhalb der großen universitären Cluster wie München, Berlin und Frankfurt zusammengefasst.

Im Folgenden werfen wir einen genaueren Blick auf die Zustimmung der Befragten zu den einzelnen Themenbereichen der Ökonomenpanels zwischen 2016 und 2023.

4.1 Finanzpolitik

Die im Jahr 2009 eingeführte Schuldenbremse spielt eine große Rolle in der deutschen Finanzpolitik. Sie legt die jährliche Neuverschuldung Deutschlands in normalen Jahren auf maximal 0,35 Prozent des Bruttoinlandprodukts fest. Einige Ökonominnen und Ökonomen fordern regelmäßig die Abschaffung der Schuldenbremse. Stand 2019 befürwortet eine Mehrheit der deutschen Ökonominnen und Ökonomen von 57 Prozent eine grundsätzliche Beibehaltung der Fiskalregel, während 15 Prozent unentschieden sind (25. ÖP – 2019). Gegen eine grundsätzliche Beibehaltung sprechen sich 28 Prozent aus, woraus sich insgesamt ein Konsens von 0,13 ergibt.[5]

Abbildung 4: Wahrscheinlichkeit zur Zustimmung von Befragten relativ zur Zustimmung der Profession, des spezifischen Fachgebiets und des Standorts
Anmerkung: Die Abbildung zeigt den Einfluss der Gesamtmeinung sowie der Fachmeinung auf die Wahrscheinlichkeit, dass Teilnehmende bei einer Frage mit „Ja“ stimmen. Die Teilnehmenden wurden anhand ihrer ersten, auf RePEc verfügbaren NEP-Klassifizierung den Fachbereichen „Makroökonomie und Politik“, „Wirtschafts- und Unternehmensmanagement“, „Mikroökonomie und Industrie“, „Gesellschaft, Umwelt und Gesundheit“, sowie „Internationale Wirtschaft und Handel“ zugeordnet.

Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 4: Wahrscheinlichkeit zur Zustimmung von Befragten relativ zur Zustimmung der Profession, des spezifischen Fachgebiets und des Standorts
Anmerkung: Die Abbildung zeigt den Einfluss der Gesamtmeinung sowie der Fachmeinung auf die Wahrscheinlichkeit, dass Teilnehmende bei einer Frage mit „Ja“ stimmen. Die Teilnehmenden wurden anhand ihrer ersten, auf RePEc verfügbaren NEP-Klassifizierung den Fachbereichen „Makroökonomie und Politik“, „Wirtschafts- und Unternehmensmanagement“, „Mikroökonomie und Industrie“, „Gesellschaft, Umwelt und Gesundheit“, sowie „Internationale Wirtschaft und Handel“ zugeordnet.

Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 4: Wahrscheinlichkeit zur Zustimmung von Befragten relativ zur Zustimmung der Profession, des spezifischen Fachgebiets und des Standorts
Anmerkung: Die Abbildung zeigt den Einfluss der Gesamtmeinung sowie der Fachmeinung auf die Wahrscheinlichkeit, dass Teilnehmende bei einer Frage mit „Ja“ stimmen. Die Teilnehmenden wurden anhand ihrer ersten, auf RePEc verfügbaren NEP-Klassifizierung den Fachbereichen „Makroökonomie und Politik“, „Wirtschafts- und Unternehmensmanagement“, „Mikroökonomie und Industrie“, „Gesellschaft, Umwelt und Gesundheit“, sowie „Internationale Wirtschaft und Handel“ zugeordnet.

Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 4:

Wahrscheinlichkeit zur Zustimmung von Befragten relativ zur Zustimmung der Profession, des spezifischen Fachgebiets und des Standorts

Anmerkung: Die Abbildung zeigt den Einfluss der Gesamtmeinung sowie der Fachmeinung auf die Wahrscheinlichkeit, dass Teilnehmende bei einer Frage mit „Ja“ stimmen. Die Teilnehmenden wurden anhand ihrer ersten, auf RePEc verfügbaren NEP-Klassifizierung den Fachbereichen „Makroökonomie und Politik“, „Wirtschafts- und Unternehmensmanagement“, „Mikroökonomie und Industrie“, „Gesellschaft, Umwelt und Gesundheit“, sowie „Internationale Wirtschaft und Handel“ zugeordnet.

Quelle: eigene Darstellung

Ein noch weiter reichendes Instrument zur Eindämmung von Risiken einer zu hohen Neuverschuldung ist die sogenannte schwarze Null. Nach dieser Regel muss die Regierung für einen ausgeglichenen öffentlichen Haushalt sorgen; es dürfen keine neuen Schulden aufgenommen werden. Hinsichtlich der schwarzen Null zeigt sich ein anderes Meinungsbild. Ein Festhalten an der schwarzen Null unterstützen 34 Prozent, wohingegen 48 Prozent der deutschen Ökonominnen und Ökonomen sie ablehnen (25. ÖP – 2019). Dementsprechend ist der Konsens hinsichtlich der schwarzen Null um 0,06 Punkte schwächer als in Bezug auf die Schuldenbremse.

Neben Schulden spielen auch die Einnahmen eine große Rolle in der finanzpolitischen Debatte. Insbesondere eine Erbschaftsteuerreform wird mit Hinblick auf Steuergerechtigkeit immer wieder genannt. Unter den befragten Ökonominnen und Ökonomen ergibt sich hinsichtlich einer Erbschaftsteuerreform ein Konsens von 0,18. So befürwortet mit 68 Prozent ein Großteil die Anhebung der Erbschaftsteuer, sofern dafür gleichzeitig andere Steuern gesenkt werden, sodass das Gesamtsteueraufkommen unverändert bleibt (8. ÖP – 2016). Ein Anteil von 23 Prozent spricht sich gegen den Vorschlag aus.

In Bezug auf die Einkommensteuer wird über die Einführung eines sogenannten Tarifs auf Rädern diskutiert. Durch einen solchen Mechanismus würde sich die Einkommensteuer über die Anpassung an die Inflationsentwicklung am realen Einkommen orientieren; damit wäre die kalte Progression kompensiert. Knapp zwei Drittel der Ökonominnen und Ökonomen sprechen sich für einen Tarif auf Rädern aus, 26 Prozent lehnen ihn ab (41. ÖP – 2022). Somit ergibt sich ein Konsens von 0,15.

Auch die Steuerbelastung von Unternehmen ist angesichts des internationalen Steuerwettbewerbs ein wiederkehrendes Thema. Eine Mehrheit der deutschen Ökonominnen und Ökonomen befürwortet eine Senkung des Körperschaftssteuersatzes, 24 Prozent stehen dem kritisch gegenüber und 12 Prozent sind zwiegespalten (27. ÖP – 2020).

Hinsichtlich einer Mindeststeuer auf europäischer Ebene sind die Ökonominnen und Ökonomen jedoch uneins. Während 37 Prozent den Vorschlag für geeignet erachten, um den internationalen Steuerwettbewerb zu begrenzen, sind 20 Prozent der gegenteiligen Meinung und 26 Prozent unsicher (27. ÖP – 2020). Anders als die Senkung der Körperschaftssteuer, für die sich ein Konsens von 0,15 ergibt, erreicht die Mindeststeuer nur einen Konsens von 0,03.

Die finanzpolitische Zusammenarbeit auf europäischer Ebene bewegt Politik und Öffentlichkeit regelmäßig. Diskutiert wurde beispielsweise über die Einführung eines Budgets der Eurozone. Ein Drittel der deutschen Ökonominnen und Ökonomen spricht sich für das Eurozonenbudget aus (18. ÖP – 2018). Eine Mehrheit von 60 Prozent hingegen steht einem solchen Budget kritisch gegenüber. Des Weiteren sind 7 Prozent unentschieden, wodurch sich ein Konsens von 0,22 errechnet.

Ein geteiltes Meinungsbild ergibt sich bezüglich einer Einlagensicherung auf europäischer Ebene. Während 46 Prozent der Ökonominnen und Ökonomen diese Maßnahme vollkommen oder zumindest unter Vorbehalt befürworten, vertreten 51 Prozent einen gegenteiligen Standpunkt, was einen Konsens von 0,08 bedeutet (18. ÖP – 2018).

Eine gemeinsame Schuldenaufnahme der EU-Staaten wird wie zuletzt auch während der Covid–19 Pandemie immer wieder thematisiert. Ein Anteil von 35 Prozent der Ökonominnen und Ökonomen steht einer solchen Maßnahme positiv gegenüber (29. ÖP – 2020). Dagegen sind 26 Prozent unentschieden, während 38 Prozent die Maßnahme ablehnen. Bezüglich der EU-Schuldenaufnahme ergibt sich somit ein geringer Konsens von 0,01.

4.2 Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik

Bedingt durch den demographischen Wandel rückt die Frage nach der Gegenfinanzierung der Rente in der öffentlichen und wissenschaftlichen Debatte in Deutschland zunehmend in den Vordergrund. Seit 1992 hat der Bundeszuschuss zur allgemeinen Rentenversicherung zugenommen. Im Jahr 2023 betrugen die Bundesmittel zur Rentenversicherung etwa 113 Mrd. Euro (etwa 20 Prozent des Bundeshaushalts).

Mithin stellt sich die Frage nach der Nachhaltigkeit des Rentensystems in Deutschland. Zwei Drittel der deutschen Ökonominnen und Ökonomen erachten das aktuelle System als nicht nachhaltig genug, um auch künftig eine angemessene Rente zu garantieren (5. ÖP – 2016). Weiterhin sind 22 Prozent unentschlossen, während 11 Prozent der Ökonominnen und Ökonomen das System durchaus als nachhaltig empfinden. Der Konsens in Bezug auf diese Frage liegt dabei bei einem Wert von 0,23.

Eine Fixierung des Rentenniveaus auf mindestens 48 Prozent des Durchschnittseinkommens sowie eine Fixierung der Beitragszahlungen auf maximal 20 Prozent des Durchschnittseinkommens werden mit 61 Prozent mehrheitlich abgelehnt (20. ÖP – 2018). Dies bedeutet zusammen mit 19 Prozent Zustimmung und 14 Prozent Unentschlossenen einen Konsensgrad von 0,19.

Was die Höhe der individuellen Rentenansprüche betrifft, so erachten 48 Prozent den Vorschlag einer Grundrente für Menschen mit mindesten 35 Beitragsjahren oder alternativ Kinderbetreuungs- beziehungsweise Pflegezeiten als richtig. Ein Drittel lehnt den Vorschlag ab und 15 Prozent sind unentschieden (16. ÖP – 2018). Die Divergenz der Meinungen zur Grundrente spiegelt sich in einem Konsens von 0,09 wider. Im Jahr 2020 wurde ein solcher Zuschlag für eine sogar noch breitere Bevölkerungsgruppe beschlossen.

Ein Konsens von 0,05 ergibt sich hinsichtlich der Teilhabeäquivalenz. 45 Prozent der Ökonominnen und Ökonomen halten es für falsch, die Höhe der Rente weniger von den geleisteten Beitragszahlungen und -jahren abhängig zu machen (20. ÖP – 2018). Demgegenüber halten 29 Prozent eine solche Entwicklung für richtig, 21 Prozent sind sich diesbezüglich unsicher.

Auch alternative Rentenfinanzierungen zum Generationenvertrag finden eher gemischten Anklang. So befürworten 49 Prozent die zusätzliche Pflicht einer privaten oder betrieblichen Altersvorsorge, während sie 43 Prozent ablehnen (20. ÖP – 2018). Unentschlossen waren 8 Prozent der Ökonominnen und Ökonomen, was einen Konsens von 0,17 zur Folge hat.

Neben der Rente und ihrer Finanzierung bieten auch das Arbeitseinkommen sowie weitere damit verbundene Sozialabgaben Anlass zu Diskussionen. Eines der großen Themen der vergangenen Jahre war die Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 in Deutschland. Diese Maßnahme wurde zu Beginn von 56 Prozent und damit von einer Mehrheit der Ökonominnen und Ökonomen als wirtschaftspolitischer Fehler angesehen, während 32 Prozent einen gegenteiligen Standpunkt vertraten und 12 Prozent der Ökonominnen und Ökonomen unentschlossen waren (1. ÖP – 2016). Der sich hieraus ergebende Konsens liegt bei 0,14.

Ein stark geteiltes Meinungsbild ergibt sich hinsichtlich der Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung. Während 36 Prozent der Ökonominnen und Ökonomen es als richtig erachten, dass die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zu gleichen Teilen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen werden, sind 27 Prozent unentschieden und 34 Prozent der gegenteiligen Meinung (16. ÖP – 2018). Daraus folgend beläuft sich der Konsens hinsichtlich der Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung auf 0,01.

4.3 Außenhandel

Vor dem Hintergrund der russischen Vollinvasion in die Ukraine im Februar 2022 hat sich abermals gezeigt, dass die Globalisierung neben den vielen Vorteilen durchaus auch Schattenseiten mit sich bringt. Insbesondere Handelsbeziehungen und damit verbundene Lieferkettenabhängigkeiten stellen ein potenzielles Druckmittel dar. Stand Mai 2022 hielt die Mehrheit der deutschen Ökonominnen und Ökonomen, knapp 60 Prozent, Deutschland jedoch nicht für zu abhängig von der Weltwirtschaft (39. ÖP – 2022). Dagegen stuft ein Drittel die Abhängigkeit als zu hoch ein. Der Konsens bezüglich dieser Frage liegt bei 0,05.

Freihandelsabkommen tragen zu einer stärkeren Einbindung in die Weltwirtschaft bei. Die Zustimmung deutscher Ökonominnen und Ökonomen zu solchen Abkommen hängt jedoch offenbar maßgeblich vom jeweiligen Partnerland ab. Die Befragungen zu den Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) und den USA (TTIP) fanden zeitgleich statt (6. ÖP – 2016). Während allerdings 72 Prozent der deutschen Ökonominnen und Ökonomen das Handelsabkommen mit Kanada befürworten, war die Zustimmung für das Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten 8 Prozentpunkte geringer. Dieser Unterschied schlägt sich auch in den Konsenswerten nieder. CETA (Kanada) erzielt einen Konsens von 0,32, TTIP (Vereinigte Staaten) nur von 0,15.

4.4 Klima- und Energiepolitik

Die Eindämmung des Klimawandels ist eine der großen politischen Aufgaben des 21. Jahrhunderts. Als wirkungsvolle Maßnahme gilt die Einsparung von CO2-Emissionen. Zu diesem Zweck wurde der EU-Emissionshandel (ETS) ins Leben gerufen. Nun wird die Einführung von Preisbändern für den Emissionshandel erörtert. Hierbei würde mittels einer Ober- und Untergrenze ein Korridor festgelegt, innerhalb dessen ein Gebot liegen muss. In Bezug auf diese Thematik ist ein großer Anteil – 37 Prozent – an „Weiß-nicht“-Stimmen zu beobachten (24. ÖP – 2018). Die Mehrheit mit 44 Prozent lehnt jedoch die Einführung von Preisbändern im ETS ab. Da 19 Prozent Preisbänder befürworten, ergibt sich ein Konsens von 0,12.

Der ETS soll außerdem um weitere Sektoren ergänzt werden. Dabei steht zur Debatte, ob für die neu dazukommenden Sektoren die bisher geltenden nationalen Vermeidungsziele der EU-Kommission beibehalten werden sollen. Diesbezüglich gehen die Meinungen der Ökonominnen und Ökonomen auseinander, verdeutlicht durch einen Konsens von 0,00. Das Aufrechterhalten nationaler Vermeidungsziele erachten dabei 45 Prozent als nicht zielführend, während 41 Prozent die Maßnahmen befürworten (35. ÖP – 2021).

Zusätzlich gibt die Bundesregierung für jedes Jahr sektorspezifische Vermeidungsziele vor. Obgleich 60 Prozent der deutschen Ökonominnen und Ökonomen diese Vorgabe ablehnen, befinden 30 Prozent sie dennoch für zweckdienlich, woraus sich ein Konsens von 0,08 ergibt (35. ÖP – 2021).

4.5 Bankenregulierung

Bankenregulierung zielt auf die Risikobegrenzung im Finanzsektor. Dazu steht eine Vielzahl an Instrumenten zur Verfügung. Eines davon ist die Eigenkapitalunterlegung, die von den Risikopositionen einer Bank abhängig ist. In die Berechnung fließen Staatsanleihen bisher nicht mit ein. Eine dahingehende Ausweitung der Eigenkapitalunterlegung auch für Staatsanleihenportfolios wird von 76 Prozent der deutschen Ökonominnen und Ökonomen und damit von einer eindeutigen Mehrheit befürwortet (42. ÖP – 2023). Ein geringer Anteil von 9 Prozent lehnt dies ab. Damit ergibt sich ein starker Konsens von 0,51.

5 Ökonomenpanel: Vielfalt wirtschaftspolitischer Einschätzungen

Das ifo-FAZ-Ökonomenpanel bildet die Vielfalt wirtschaftspolitischer Einschätzungen von Professorinnen und Professoren der Volkswirtschaftslehre an deutschen Universitäten ab. Ziel des Panels ist, der Öffentlichkeit und der Profession ein umfassendes Meinungsbild zu wirtschaftspolitischen Fragen zu vermitteln. Das ist aus dem Grund erforderlich, dass sich an der öffentlichen Debatte zu wirtschaftspolitischen Fragen nicht alle Professorinnen und Professoren in gleichem Maße beteiligen möchten und können. Auch haben nicht alle gleich guten Zugang zu den Medien.

An den Befragungen des Ökonomenpanels nehmen regelmäßig mehr als 20 Prozent der mehr als 700 Professorinnen und Professoren der Volkswirtschaftslehre in Deutschland teil. Die Teilnehmenden sind gemessen an soziodemographischen Charakteristiska repräsentativ für ihren Berufsstand in Deutschland. Im Zeitraum Februar 2016 bis November 2024 fanden 49 Befragungen statt.

Die wirtschaftspolitischen Einschätzungen der Professorinnen und Professoren haben sich insbesondere während der Covid–19-Pandemie voneinander unterschieden. Großen Konsens gab es hingegen in Fragen der Bankenregulierung. Diese Ergebnisse zeigen, dass es je nach wirtschaftspolitischer Frage unter den Ökonominnen und Ökonomen sowohl großen Konsens als auch deutliche Pluralität gibt. Sichtbar zu machen, wo sich die Ökonominnen und Ökonomen in Deutschland einig sind und wo nicht, und aufzufächern, welche wirtschaftspolitischen Maßnahmen sie im Einzelnen empfehlen: Darin liegt der Mehrwert des Ökonomenpanels sowohl für die Öffentlichkeit als auch für die Profession selbst.

Danksagung

Unser Dank gilt den Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Ökonomenpanel.

  1. Ethik-Erklärung

  2. Forschungsethik: Die Autoren haben hierzu keine Angaben zu machen.

  3. Beiträge zur Veröffentlichung: Geißendörfer: empirische Analyse, Text und Konzeption. Gründler: Text und Konzeption. Potrafke: Text und Konzeption. Schlepper: empirische Analyse, Text und Konzeption. Die Autoren haben die Verantwortung für den gesamten Inhalt des Manuskripts übernommen und dessen Einreichung genehmigt.

  4. Nutzung von LLMs, KI und Machine Learning: Die Autoren haben derlei nicht benutzt.

  5. Interessenkonflikte: Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  6. Forschungsfinanzierung: Die Autoren haben keine Forschungsfinanzierung erhalten.

  7. Datenverfügbarkeit: Da den Teilnehmenden des Ökonomenpanels Vertraulichkeit zugesichert wurde, können die Daten nicht zugänglich gemacht werden.

Literaturverzeichnis

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Online erschienen: 2025-04-17
Erschienen im Druck: 2025-05-14

© 2025 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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Heruntergeladen am 7.12.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/pwp-2024-0040/html
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