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Von der Strategie bis zur Evaluation – Die Brandenburger Open-Access-Strategie und die Vernetzungs- und Kompetenzstelle Open Access Brandenburg als Landesinitiative

  • Anja Zeltner

    Anja Zeltner

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    und Ben Kaden

    Ben Kaden

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Veröffentlicht/Copyright: 6. Juli 2023

Zusammenfassung

Die Vernetzungs- und Kompetenzstelle Open Access Brandenburg ist eine Maßnahme zur aktiven Unterstützung der Hochschulen im Land Brandenburg bei der Open-Access-Transformation. Sie wurde 2021 in Umsetzung der 2019 verabschiedeten Open-Access-Strategie des Landes eingerichtet und koordiniert unterschiedliche Maßnahmen, unter anderem einen landesbezogenen Publikationsfonds für Open-Access-Monografien und ein landesbezogenes Open Access Monitoring. Der Beitrag beleuchtet reflexiv die Entwicklung und den Aufbau der Stelle und formuliert drei Lessons Learned für ihre weitere Entwicklung: Integration von Strategie und Praxisnähe, Partizipation und ein agiles sowie zugleich planungsstabiles Vorgehen im sehr dynamischen Komplex von Open Access und Open Research.

Abstract

Open Access Brandenburg is a measure to actively support universities in the state of Brandenburg in the open access transformation. It was established in 2021 in implementing the open access strategy adopted by the state in 2019 and coordinates various measures, including a state-specific publication fund for open access monographs and a state-specific open access monitoring. The article reflectively examines the development and establishment of the project. It formulates three lessons learned for its further development: integration of strategy and practical relevance, participatory approach, and agile yet planning-stable action in the highly dynamic complex of open access and open research.

1 Der Weg zur Vernetzungs- und Kompetenzstelle Open Access Brandenburg

Die Geschichte der Vernetzungs- und Kompetenzstelle Open Access Brandenburg (VuK) beginnt mit der Open-Access-Strategie des Landes. Diese entstand ab 2018 in einem betont partizipativen Prozess. Aus wissenschaftspolitischer Sicht wurde sie als Baustein der digitalen Transformation der Wissenschaft angeregt. Es ging in der grundlegenden Programmatik um

„die Ausschöpfung der Potenziale […] Denn während kollaborative und transdisziplinäre Zusammenarbeit im analogen Raum an ihre natürlichen Grenzen stoßen, ermöglicht die Digitalisierung, dass Inhalte und Daten über Plattformen weltweit in Sekundenschnelle geteilt und genutzt werden können.“[1]

Interessanterweise, und aus dem Kontext vielleicht auch nachvollziehbarer, spielen in der Bedarfsbegründung die Bezüge der wissenschaftsimmanenten Motivationen der Open-Access-Erklärungen zunächst buchstäblich nur als Fußnote eine Rolle.[2] Die Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen[3] wurde nur in einer Sicht in ihrem Anspruch zitiert, nämlich in der Begründung der ursprünglich auch für die Brandenburger Open-Access-Strategie angedachte unmittelbare Integration von Openness in Archiven, Museen und Öffentlichen Bibliotheken im Sinne von Open Culture. In der vorgelegten Fassung dient der Verweis vor allem als Sensibilisierung für die denkbare breitere Wirkung und damit auch als Platzhalter für Weiterentwicklungsansätze, zum Beispiel in Richtung der ebenfalls erwähnten Open Science bzw. Open Research. In ihrer Konkretisierung war die Strategie von Beginn an darauf ausgerichtet, wissenschaftspolitische Wünsche mit konkreten Bedarfen an den Hochschulen zusammenzuführen und aus Sicht der Autor*innen realistische, also in Maßnahmen übersetzbare Ziele zu formulieren. Dies erfolgte in Zuschreibung auf vier Akteursgruppen: Wissenschaftler*innen,[4] Hochschulen,[5] Hochschulbibliotheken[6] sowie die Landesregierung[7]. Mit Hochschulen bzw. Hochschulbibliotheken sind in der Strategie zunächst nur die staatlichen Hochschulen des Landes Brandenburg gemeint, vgl. Abb. 1.

Abb. 1: Institutionenkreis der VuK, Francesca Morini im Auftrag der VuK
Abb. 1:

Institutionenkreis der VuK, Francesca Morini im Auftrag der VuK

Für die Landesregierung wurde als zweite der insgesamt acht formulierten Maßnahmen die Einrichtung einer „Vernetzungs- und Kompetenzstelle für Open Access im Publikationsbereich“ angeregt.[8] Deren geplante Funktion war zunächst reduzierter als die tatsächliche Umsetzung beschrieben, die Elemente anderer Maßnahmen der Landesregierung integriert.[9] Ursprünglich sollte sie vorwiegend die diversen Stakeholder*innen des Strategieprozesses dauerhaft vernetzen. Die in der Strategie benannten Maßnahmen dienten in dieser Konzeption hauptsächlich als erste Meilensteine für den geplanten Kulturwandel. Weitere Entwicklungen in Richtung Openness im Land Brandenburg sollten durch die Vernetzungsstelle systematisch angeregt und strategisch begleitet werden. Interessanterweise verschob sich der Fokus von strategischer Weiterentwicklung in der Umsetzung ab April 2021 auf praktische und unmittelbar wirksame Maßnahmen. In dem, die Umsetzung der Maßnahme „Vernetzungs- und Kompetenzstelle“ vorbereitenden, Organisations- und Finanzierungskonzept aus dem Herbst 2019 erscheint dieser Gesichtspunkt unter der Überschrift „Strategieberatung“ noch als erster und damit sehr zentraler Teil der Planung auf. Entsprechend wurde er auch in der konkretisierten Umsetzungsplanung zentral als Arbeitspaket 1 (AP 1) eingepflegt. Als weitere Arbeitspakete wurde formuliert: Schulung und Informationsvermittlung verschiedener Zielgruppen in den Hochschulen im Bereich Open Access (AP 2), Implementierung und Verwaltung eines Förderinstruments für Open-Access-Monografien (AP 3), ein landesweites Open-Access-Monitoring (AP 4), weitere Kommunikations- und Vernetzungsmaßnahmen für die Brandenburger Stakeholder*innen (AP 5) sowie die Vorbereitung einer Evaluation der VuK im Jahr 2023 (AP 6). Ein siebentes, nach innen gerichtetes Arbeitspaket sichert die interne Organisation und das Controlling der übrigen Arbeitspakete ab.

2 Von der Strategie zur Evaluation

Das Organisations- und Finanzierungskonzept enthielt den Vorschlag für einen Zeitplan von Juni 2020 bis Ende 2023, mit einem Übergangsszenario in eine Verstetigung. Bei einer vollen und rechtzeitigen Mittelbewilligung sollte die VuK geplant nicht einmal ein Jahr nach der Veröffentlichung der Open-Access-Strategie zunächst in einer sechsmonatigen „Aufbauphase“ vorbereitet und anschließend ab 01.01.2021 in einen operativen Modus überführt werden. Die Coronapandemie veränderte unter anderem die Entscheidungsgeschwindigkeit und verzögerte die Realisierung, sodass die Aufbauphase der VuK erst zum April 2021 begann.

Diese nicht ganz optimalen Startbedingungen wurden durch eine konsequent agile Ausrichtung des Projektmanagements ausgeglichen. Die organisatorische Anbindung konkretisierte sich Anfang September 2021 in einer, in der Konzeptionsphase noch nicht so vorbestimmten, Verknüpfung mit dem neu entstehenden Zentrum der Brandenburgischen Hochschulen für Digitale Transformation (ZDT).[10] Auch für diese Neuerung war agiles Projektmanagement notwendig. Es zeigte sich dabei eine deutliche Differenz zum plangetriebenen klassischen Projektmanagement, das sich durch eine langfristige Planung und Meilensteinsetzung auszeichnet.[11] Dieser Unterschied realisierte sich in der Arbeit der Vernetzungs- und Kompetenzstelle insbesondere auf zwei Ebenen:

Abb. 2: Übersicht über Arbeitspakete, Francesca Morini im Auftrag der VuK
Abb. 2:

Übersicht über Arbeitspakete, Francesca Morini im Auftrag der VuK

Abb. 3: Zeitleiste, Francesca Morini im Auftrag der VuK
Abb. 3:

Zeitleiste, Francesca Morini im Auftrag der VuK

  • konsequente Priorisierung von Arbeitspaketen, um den Stakeholder*innen möglichst schnell ein funktionierendes Basisangebot anzubieten,

  • Integration der Stakeholder*innen, um sich ändernde Bedarfe in das Angebot aufnehmen zu können und dieses so inkrementell zu verbessern.

Ein Beispiel für diesen agilen Ansatz bietet die Schwerpunktsetzung auf Arbeitspaket 3, der Konzeption und Betrieb des MWFK-Förderinstruments „Publikationsfonds für Open-Access-Monografien“ im Jahr 2021. Die unmittelbare Bereitstellung der Mittel für den Publikationsfonds erforderte eine Priorisierung dieses Arbeitspakets, um die rechtzeitige Verausgabung zumindest eines Teils dieser Mittel vor Schluss des Kassenjahres zu ermöglichen. Diese und die weiteren Maßnahmen mussten bei Start der VuK mit halber Personalausstattung durchgeführt werden, da die übrigen Stellenanteile erst nach und nach besetzt werden konnten und die Vernetzungs- und Kompetenzstelle erst ab Herbst 2021 mit vollständigem Personal agieren konnte. Während der Sommer 2021 genutzt wurde, um eine Arbeitsgemeinschaft, bestehend aus den Open-Access-Ansprechpartner*innen der acht Brandenburger Hochschulen zu bilden und eine erste Version der Förderkriterien des Publikationsfonds zu erstellen, konnte das Konzept im Herbst 2021 bereits verbindlich von den Hochschulleitungen des Landes Brandenburg über das ZDT abgenommen und drei erste Projekte gefördert werden.

In diesem Vorgehen zeigt sich, wie bereits bei der Entwicklung der Open-Access-Strategie, das Potenzial einer unmittelbaren Einbindung der Stakeholder*innen. Die gegründete Arbeitsgruppe zum Publikationsfonds wirkte nicht nur beim ersten Erstellen der Förderkriterien mit, sondern ist seitdem durch circa zweimonatliche Treffen in sämtliche Anpassungen des Arbeitspakets involviert, so zum Beispiel in die Aktualisierung der Förderkriterien für den Publikationsfonds im April 2022.[12] Dieses agile Vorgehen funktionierte beim Brandenburger Ansatz aus mehreren Gründen optimal: Erstens bestand aus dem Entwicklungsprozess der Strategie bereits ein enges aktivierbares Netzwerk. Zweitens hatten durch den partizipativen Strategieprozess die entscheidenden Stakeholder*innen und das Netzwerk einen grundlegenden gemeinsamen Informationsstand, sodass sich die Kommunikationsarbeit in den meisten Fällen auf die Konkretisierungsschritte und Verbesserungen konzentrierte. Drittens ist die Brandenburger Hochschullandschaft mit vergleichsweise wenigen, nämlich acht Einrichtungen, schneller abzuholen und einzuholen, als es in Bundesländern mit einer erheblich größeren Zahl der Hochschulen der Fall wäre bzw. wie die Erfahrungen anderer Landesinitiativen zeigen tatsächlich ist.

Diese Erfahrung prägte auch die Schwerpunktsetzungen der Arbeit der VuK in den Jahren 2022 und 2023. Der Publikationsfonds erwies sich bereits in seinem ersten vollen Jahr des Bestehens als Erfolgsmodell und die rasant steigende Anfrage an zu fördernden Open-Access-Monografien konnte nur durch den Mittelübertrag der im Jahr 2021 nicht verausgabten Mittel ermöglicht werden.[13] Daraus folgte, dass für das abschließende Jahr der Pilotphase ein Quotensystem für die einzelnen Hochschulen eingeführt werden musste, um weiterhin eine gleichmäßige Verteilung der Mittel über die Brandenburger Hochschulen zu gewährleisten.[14] Bis zu einem Stichtag nach dem zweiten Quartal des Jahres werden jeweils nur zwei Anträge jeder Hochschule bewilligt. Danach erfolgt die Bewilligung nach dem First-come-first-serve-Prinzip. Bereits im April 2023 haben vier der acht Hochschulen diese Quote erfüllt, weitere sechs Anträge der verschiedenen Hochschulen müssen auf ihre Bewilligung warten.

Diese für Antragsstellende teils sicher frustrierende Beschränkung unterstreicht nicht nur den hohen Bedarf am Förderinstrument, sondern sorgt durch die gleichmäßige Verteilung der Mittel für einen höheren Anteil von Open Access publizierten Monografien in der Breite und insbesondere auch bei den kleineren Hochschulen Brandenburgs. Diese werden dadurch bewusst stärker in die Open-Access-Transformation einbezogen. Der Ansatz ermöglicht zudem die zentrale und somit effiziente Organisation der Mittelverteilung sowie eine bessere Nutzung gegebenenfalls vorhandener Restmittel.

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit in den Jahren 2022 und 2023 liegt in der Entwicklung eines übergreifenden und mehrschichtigen Open-Access-Monitorings für alle acht Brandenburger Hochschulen.[15] Dieses wird ebenfalls nach den Prinzipien der Agilität und Partizipation gemeinsam von Ansprechpartner*innen der acht Brandenburger Hochschulen entwickelt und bezieht neben Daten aus OpenAPC auch Daten der Deutschen Bibliotheksstatistik (DBS) ein.[16]

3 Lessons Learned und Ausblick

Die Frage, wie sich die Open-Access-Strategie des Landes Brandenburg über 2023 hinaus weiterentwickeln könnte, war neben der Evaluation im Jahr 2023 ein Schwerpunkt des 6. Arbeitspakets (vgl. Abb. 2). Um ihr gezielt nachzugehen, wurden analog zur Entwicklung der Strategie partizipativ ausgerichtete Stakeholder*innenworkshops durchgeführt. Diese richteten sich an das bestehende Netzwerk, an das seit 2019 erweiterte Netzwerk sowie die allgemeine Open Access Community. Bewährt hat sich dabei die Einbindung einer externen, auf Formate des agilen Projektmanagements spezialisierten Agentur, die Vor- und Nachbereitung begleitete sowie die Moderation übernahm. Das ermöglichte dem Team, ebenfalls inhaltlich sowie dokumentierend teilzunehmen und begleitend eigene methodische Kompetenzen aufzubauen, die in zukünftigen Workshops zum Einsatz kommen werden. Sowohl die durchgeführten als auch die zukünftigen Workshops sind selbst agil angelegt. Sie dienten nur teilweise einer Bestandsaufnahme zur Umsetzung der Open-Access-Strategie. Das eigentliche Erkenntnisziel war die Ermittlung erweiterter und neuer Bedarfe für Open Access und angrenzende Themenfelder im Land Brandenburg. Thematisch differenzierten die Workshops drei Schwerpunkte:

  1. Open-Access-Publizieren (durchgeführt am 14.10.2022),

  2. Open Access im institutionellen Kontext (durchgeführt am 16.02.2023),

  3. Open Access – und darüber hinaus? (geplant im 3. Quartal 2023).

Obwohl der dritte Workshop, der perspektivisch an die Wurzeln der Open-Access-Strategie anknüpft und das Prinzip der Offenheit näher beleuchtet,[17] noch aussteht, lassen sich bereits aus den beiden durchgeführten Workshops einige Perspektiven und Lessons Learned ableiten. Diese werden durch interne Perspektiven und Einschätzungen ergänzt.

Eine Perspektive besonders der aktuell zentralen Zielgruppe, den Open-Access-Beauftragten an den Hochschulen, ist ein gewisser Pragmatismus beim Herangehen an das Thema Open Access. Das umfassende strategische und politische Ideenspektrum der Open-Access-Bewegung bleibt nicht komplett außen vor. Es ist aber in der Priorität nachgeordnet und wird bestenfalls als Addendum gesehen. Die Ursache dafür ist nicht im mangelnden Interesse, sondern meist in den Stellen- und Anforderungsprofilen begründet. Entscheidend ist der Anspruch, dass Open Access im Hochschulalltag und unter den jeweils bestehenden Bedingungen möglichst reibungsfrei funktioniert. Die Mitgestaltung der großen übergeordneten Entwicklungslinien und auch tiefere wissenschafts- und informationsethische Debatten werden weniger als eigene Aufgabe wahrgenommen.

Dies überträgt sich auch auf die Anforderungen an die Vernetzungs- und Kompetenzstelle. Deren strategische Rolle und Aufgabe wird zwar weithin akzeptiert, darüber hinaus aber nicht weiter aufgenommen. Vielmehr werden hauptsächlich praxisnahe Unterstützungsleistungen, beispielsweise zu Ausbau der Möglichkeiten von Green Open Access, abgefragt.[18] Die Lesson Learned ist somit, dass eine strategische Agenda in wirksame praktische Maßnahmen eingebettet werden sollte und die Zielgruppe niedrigschwellige und in ihrem Setting realisierbare Mitgestaltungsoptionen benötigt. Oft ist bereits die generelle Information zu Debatten, Richtlinien und Trends ein Desiderat. Hier kann eine Landesinitiative im Rahmen eines systematischen Informations- und Wissenstransfers aktiv werden und als Knotenpunkt bedarfsnah Rückkopplungs- und Kommunikationsoptionen anbieten. Diese Rolle übernimmt in der VuK unter anderem das Format des monatlich stattfindenden Open Access Smalltalks.[19]

Auch aus interner Sicht erweist sich die in der Open-Access-Strategie angedachte Schwerpunktsetzung einer Strategieberatung aller Stakeholder*innen als herausfordernd. Eine Ursache sind die unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Anforderungen an den Hochschulen des Landes. Es gibt sowohl stark auf Lehre konzentrierte Fachhochschulen als auch Einrichtungen mit weitreichenden Verbindungen zu außeruniversitären Forschungsstrukturen. In Brandenburg finden sich eine Großuniversität mit sieben disziplinär sehr unterschiedlichen Fakultäten, eine kleinere Universität mit drei Fakultäten, eine technische Universität und – als eine Art bundesweites Unikat – zudem eine Filmuniversität. Dazu kommen jeweils unterschiedlich ausgeprägte institutionelle und infrastrukturelle Unterlagerungen für Open Access und Open Research sowie individuelle Perspektiven und Priorisierungen auf allen Handlungs- und Entscheidungsebenen. Diese Diversität macht eine von außen kommende, generische Beratung nahezu unmöglich. Individuelle Strategieentwicklungen wurden dagegen angeboten, aber ebenfalls nur in Ausnahmefällen abgefragt.

Eine weitere Lesson Learned zeigt sich in den Grenzen der Partizipation. Die VuK setzt wie die Strategie auf eine größtmögliche Mitgestaltungsmöglichkeit, die besonders von den operativen Zielgruppen umfassend genutzt wird. Jedoch sind die Möglichkeiten der Mitwirkung allein durch die Arbeitsprofile und Kernaufgaben begrenzt. Gerade in einem kleinen Hochschulland wie Brandenburg verteilt sich viel Partizipationslast auf vergleichsweise wenige Schultern. In einem größeren Hochschulland würde sich möglicherweise dagegen das Problem stellen, dass es zu einer Partizipationshegemonie der Einrichtungen kommt, deren Mitarbeitende sich besonders stark einbringen können. In Brandenburg versuchen wir solche Effekte bewusst und durchaus gelingend auszugleichen. Die Anforderungen an entsprechende Kommunikations- und Begleitungsmaßnahmen durch die VuK sind dadurch noch größer als in der ursprünglichen Planung antizipiert.

Als dritte Lesson Learned zeigt der Wunsch nach einem möglichst praxisnahen Zugang zu Open Access ein Dilemma für die Vernetzungs- und Kompetenzstelle als Unterstützerin der Implementierung von Open-Access-Maßnahmen der Strategie auf: Wo es zu pragmatisch wird und der Schwerpunkt auf Tools und Verfahren einer angestrebten Kostenoptimierung von Open Access gelegt wird, bleibt die langfristige und sich positionierende Weiterentwicklung des Themas eventuell hinter Alltagsproblemen zurück. Dies zeigt sich auch an den unterschiedlichen Anforderungen der Stakeholder*innen: Während sich Hochschulleitungen und Open-Access-Expert*innen an den Bibliotheken nachvollziehbar für geradlinige und konfliktarm umsetzbare Maßnahmen der Transformation einsetzen, fragen Hochschulpolitiker*innen gleichzeitig und völlig zu Recht nach der generellen Perspektive hin zu mehr Offenheit in Wissenschaft, Forschung und Kultur. Diese divergierenden Positionen zur Weiterentwicklung der Open-Access-Strategie generell und der VuK als ihre „Umsetzerin“ im Besonderen, spiegelt sich auch in der Fragestellung wider: Wer oder was ist die VuK eigentlich, ein hochschul- oder ein wissenschaftspolitisches Projekt? Ist es überhaupt zielführend, von einem Projekt zu reden, das die VuK, bei allem politischen Willen zur Verstetigung, aktuell faktisch ist?

Genau genommen markiert der Zwiespalt zwei in einer Landesinitiative wie der VuK zusammenzuführenden Erwartungshaltungen:

  • Die in den Hochschulen spürbaren Anforderungen und Alltagsherausforderungen an Open Access sollen zielstrebig und unmittelbar lösungsorientiert mit adäquaten Maßnahmen adressiert werden.

  • Die Open-Access-Transformation soll im Einklang mit übergeordneten Trends mitgestaltet, weiterentwickelt und in Anschluss mit angrenzenden Feldern, insbesondere Open Research, aber auch im Bereich Open Educational Resources und Open Culture, vernetzt werden.

Die VuK muss je nach Perspektive reaktiv, proaktiv und agil wirken und handeln. Die Eingrenzung der Zuständigkeit auf die acht vom Land geförderten Hochschulen setzt einen Schwerpunkt, der nicht passgenau mit der Stoßrichtung der Open-Access-Strategie des Landes korrespondiert.

Besonders die notwendige Agilität wird zu einer enormen Herausforderung, da Open Access und Open Research sich aus sich selbst beständig verändern und sich damit auch mögliche Ziele und Anforderungen verschieben. Im Idealfall wäre die Open-Access-Strategie ein offenes, sich fortlaufend entwickelndes Dokument mit regelmäßigen Releases und Updates. Dies kollidiert regelmäßig mit festen Planungserwartungen und Meilensteinsetzungen, die zugleich erforderlich sind, um die Wirkung und den Erfolg der Maßnahmen objektiv nachweisen zu können. Wie lässt sich vor diesem Hintergrund eine langfristige Planung und Verstetigung einer Vernetzungs- und Kompetenzstelle nicht nur entwerfen, sondern auch legitimieren? Ist eine solche Landesstelle eher Expertiseknoten oder Dienstleisterin? Mit dem Arbeitspaket zur Evaluation (AP 6) und den Workshops erarbeitet die VuK mögliche Zuschnitte und Entwicklungslinien. Ob und wie diese aber bei den Stakeholder*innen Akzeptanz finden und sich in einer konsensuellen Entscheidungsfindung zur Zukunft der VuK niederschlagen, liegt naturgemäß nicht im Handlungsbereich der VuK.

Ähnliche Unsicherheiten gegenüber ihrer langfristigen Ausgestaltung mussten auch andere Landesstellen aushalten, wie das Beispiel des Open-Access-Büro Berlin zeigt.[20] Hier scheint jedoch seit 2022 durch die Verstetigung und Einrichtung unbefristeter Stellen zumindest etwas Ruhe in die Diskussion um ihre Zukunft gebracht worden zu sein, sodass die Berliner Kolleginnen sich jetzt vermehrt in Richtung Open Research ausrichten können.[21] Anders erging es hingegen dem Open-Access-Projekt in Baden-Württemberg, das 2022 – bislang ohne Ersatz – beendet wurde.[22]

Dass Open Access und Open Research vorläufig zeitstabile Themen sind, die idealerweise mit Übersicht koordiniert und bearbeitet werden, wurde wissenschaftspolitisch mittlerweile ebenso festgeschrieben wie der Wunsch einer stärkeren Erweiterung der Offenheit über die Hochschulen hinaus:

„Wir werden mit Citizen Science und Bürgerwissenschaften Perspektiven aus der Zivilgesellschaft stärker in die Forschung einbeziehen. Open Access und Open Science wollen wir stärken“,[23] heißt es dazu sehr deutlich im aktuellen Koalitionsvertrag, der zudem eine Tendenz ausdrückt, Open Access nicht als geschlossenes Thema zu begreifen, sondern sein Wirken in die Gesellschaft und in die Kultur hinein zu betonen. Die Empfehlung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung war 2018 sehr deutlich und deutete auf die Einrichtung von Landesstellen für Open Access hin: „Ziel muss es sein, dass in allen sechzehn Bundesländern entsprechende Initiativen verankert werden und ein gemeinsames Verständnis von Bedeutung und Chancen einer verantwortungsvollen Open-Access-Kultur erreicht wird.“[24]

Insofern ist Brandenburg mit der Einrichtung einer solchen Stelle ab dem Jahr 2021 nicht nur auf einem guten Weg, sondern kann sich zu Recht als Vorreiter in einer bundesweit gesetzten hochschulpolitischen Agenda begreifen. Selbst wenn die konkrete Ausgestaltung der Strategie ab 2023 noch offen ist und weitere Konkretisierungen erfolgen müssen: Open Access wird in Zukunft als Thema nicht kleiner, sondern eher größer und die konkrete Umsetzung einer landesweiten Strategie durch eine dafür mandatierte Stelle wird auch Schule für andere Bundesländer machen.[25]

Was bleibt, ist die Frage nach dem „Wie?“ und vor allem auch nach dem „Mit wie viel Ressourcen?“. Die VuK ist dafür ein buchstäbliches Pilotprojekt, weil sie konsequent einen bestimmten Ansatz entwickeln und umsetzen kann. Als Zwischenfazit lässt sich aus den Erfahrungen seit 2019 festhalten, dass zwar nicht alles am Brandenburger Open-Access-Modell passgenau war. Aber in der Gesamtschau erstaunlicherweise sehr viel. Die drei Lessons Learned

  • eine notwendige Integration strategischer Entwicklungsziele mit konkret realisierbaren praktischen Maßnahmen,

  • konsequente, zugleich aber gut organisierte und in einem machbaren Rahmen gestaltete Partizipation und

  • die Notwendigkeit, eine Landesinitiative wie die VuK agil auszugestalten und ihre Entwicklungsräume bei zugleich langfristiger Planungssicherheit zu lassen,

bieten zudem eine sehr klare Grundlage für die Weiterentwicklung des Angebots.

About the authors

Anja Zeltner

Anja Zeltner

Ben Kaden

Ben Kaden

Literaturverzeichnis

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Published Online: 2023-07-06
Published in Print: 2023-08-24

© 2023 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter.

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Artikel in diesem Heft

  1. Titelseiten
  2. Nachruf
  3. Der große Klare aus dem Norden
  4. Call for Papers
  5. Call for Papers
  6. Themenschwerpunkt: Offenheit in Bibliotheken
  7. Editorial: Offenheit in Bibliotheken
  8. Thesauri – a Toolbox for Information Retrieval
  9. Digitale Sammlungen als offene Daten für die Forschung
  10. Linked Open Data. Zukunftsweisende Strategien
  11. Nutzungsmessung von Präsenzzeitschriften mittels Sensoren
  12. Online-Ausstellungen. Bedeutung, Herausforderungen und Potenziale für Literaturarchive und Nachlassinstitutionen
  13. Auf gut Klick! Über die Do’s and Dont’s der virtuellen Wissens- und Kulturvermittlung
  14. E-Day: Die Bibliothek setzt mit einem Event auf Offenheit
  15. Immersive 360°-Lernressourcen als Werkzeuge in der protoberuflichen Bildung
  16. Ein Rummelplatz für Entdeckungen. Mit Zukunftswerkstätten, Fokusgruppen und Moodboards erfindet sich die Zentralbibliothek Hannover neu
  17. Strategieentwicklung mittels „Cultural Probes“
  18. Das BiblioWeekend – Eine nationale Kampagne für Bibliotheken in der Schweiz
  19. Komplexe räumliche Systeme: Bibliotheksräume im digitalen Zeitalter
  20. Sustainable Development in Danish Public Libraries
  21. Kunst in/aus Bibliotheken – Kreative Nutzung von digitalen Bibliotheken
  22. Empowerment durch Offenheit: (Netzwerk) Tutorials in Bibliotheken
  23. Von Open Educational Resources zu Open Educational Practices: der community-geleitete OER-Ansatz der ZHAW Hochschulbibliothek
  24. Open for Library-Faculty Collaboration: A Liaison Librarian Use Case at the University Library of Freie Universität Berlin
  25. Open Access Monitoring: Verzerrende Datenquellen und unbeabsichtigte Leerstellen – eine explorative Studie
  26. Herausgeberschaft und Verantwortung: Über die Un-/Abhängigkeit wissenschaftlicher Fachzeitschriften
  27. Von der Strategie bis zur Evaluation – Die Brandenburger Open-Access-Strategie und die Vernetzungs- und Kompetenzstelle Open Access Brandenburg als Landesinitiative
  28. Rezensionen
  29. Rainer Kuhlen, Dirk Lewandowski, Wolfgang Semar, Christa Wormser-Hacker (Hrsg.): Grundlagen der Informationswissenschaft, 7., völlig neu gefasste Ausgabe, Berlin: De Gruyter, 2023, gebundene Ausgabe: 958 S., ISBN-10: 311076895X, ISBN-13: 978-3110768954, € 220,00
  30. Ellyssa Kroski (Ed.): 25 ready-to-use sustainable living programs for libraries, Chicago: ALA Editions, 2022, ISBN 9780838936498, $59.99
  31. Veronica Arellano Douglas and Joanna Gadsby (Eds.): Deconstructing Service in Libraries. Intersections of Identities and Expectations. Sacramento, CA: Litwin Books, 2020. 404 S., Paperback, ISBN: 978-1634000604, $22.75.
  32. Judith Mavodza: Navigating and Managing an Academic Library. Best Practices from the Arabian Gulf Region. (Current Topics in Library and Information Practice), Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2022, ISBN 978-3-11-074008-0, € 92,95
  33. Kednik, Manfred (Hrsg.) unter Mitarbeit von Annemarie Kaindl: Martin Willibald Schrettinger (1772–1851). Vom eigenwilligen Mönch zum leidenschaftlichen Bibliothekar. Festschrift zum 250. Geburtstag (Neumarkter Historische Beiträge: 17). Neumarkt: Historischer Verein für Neumarkt in der Oberpfalz, 2022. 274 S. Abb., fest gebunden. ISBN 978-3-9811330-9-7, € 15,00
Heruntergeladen am 2.12.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/bfp-2023-0030/html
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